Im
Röntgen kann man die Muskeln der Rotatorenmanschette nicht sehen, weil die Röntgentechnik die Weichteile und Sehnen nicht so gut abbildet. Bei grossen Sehnenrissen ( Zwei- oder Dreisehnendefekten ) tritt der Oberarmkopf nach oben. D.h. vorwiegend der Supraspinatusmuskel und der Infraspinatusmuskel verlieren ihre zentrierende Wirkung auf das Schulterhauptgelenk und man erkennt, dass der Abstand zwischen Oberarmkopf und knöchernem Schulterdach ( Akromion ) geringer wird. Man spricht von einer verminderten akromiohumeralen Distanz. Dabei sind Abstände von 1 cm und mehr normal. Ab 0,7 cm und weniger wird es kritisch. Wenn der Oberarmkopf, iauf dem Röntgenbild, nach oben aus der Schulterpfanne heraustritt, bei einem sehr grossen Rotatorenmanschettenriss, bezeichnet man das auch als Velpeau Phänomen. Begleiterkrankungen wie einen Verschleiss am Schultereckgelenk oder eine Verschleiss im Schulterhauptgelenk ( Omarthrose ) kann man gut erkennen. Hinweise auf ein begleitendes
Impingementsyndrom sind u.U., z.B. in Form eines spornförmigen / hakenförmigen Schulterdaches, ebenso auszumachen. Desweiteren sind auch degenerative wie auch eigenständige Kalkablagerungen (
Tendinitis calcarea ) mit der Röntgenmethode sichtbar zu machen.
Das Kontrastmittelröntgen ( Arthrographie ) ist eine Methode, die heute nur noch selten Anwendung findet. Man hat sie in der Vergangenheit vor allem zur Diagnostik von Rotatorenmanschettenrissen angewandt. Sie ist weitgehend durch andere Verfahren wie die Ultraschalluntersuchung und
Kernspintomographie abgelöst worden.
Die
Kernspintomographie ermöglicht eine strahlenfreie Untersuchung der betroffenen Schulter / Rotatorenmanschette. Es ist ein Schichtbildverfahren bei dem man über einen Zeitraum von etwa 20 bis 40 Minuten in einer Untersuchungsröhre liegen muss. Komplette Rotatorenmanschettenrisse sind gut zu erkennen. Bei Teilrissen ist das schwieriger. Es besteht die Möglichkeit zur Kontrastmitteluntersuchung, beispielsweise mit Substanzen wie Gadolinium. Man erhält relativ gute Informationen über die Grösse und Lage des Risses sowie über den Verfettungs- und Verschmächtigungsgrad der gerissenen Rotatorenmanschette, welches wichtig für die Entscheidung ist, ob man den Sehnendefekt rekonstruieren / verschliessen / teilverschliessen kann. Auch die im MRT sichtbare Grösse des Sehnenstumpfes liefert wertvolle Hinweise für eine mögliche Rekonstruierbarkeit des Sehnendefektes.
Begleiterkrankungen wie das Impingement, den Verschleiss am Schultereckgelenk oder beispielsweise den Schleimbeutel unter dem Schulterdach kann man gut mitbeurteilen. Die
Kernspintomographie ist aber eine statische Untersuchung und man darf kein Platzangst ( Klaustrophobie ) haben.
Der Goldstandard zur Beurteilung und Diagnosesicherung des Rotatorenmanschettenrisses ist die
Schulterarthroskopie. Das ist eine minimal invasive / endoskopische Operation, welche in Narkose durchgeführt wird. Die Schulterarthroskopie erlaubt den Zustand und die Gewebequaltiät, die Grösse und Lage des Risses sowie seine Rekonstruierbarkeit am besten zu beurteilen. In gleicher Sitzung kann dann auch die Behandlung, z. B. die Rekonstruktion des Sehnendefektes / Verschluss des Risses stattfinden. Versagen die nichtoperativen Therapiemassnahmen, führt man bei anhaltendem Leidensdruck diesen Eigriff durch. Eine sichere Diagnostik von Rotatorenmanschettenrissen, welche mitten in der Sehne liegen, sog. intratendinöse Risse, ist nur mit der
Schulterarthroskopie zu führen.
11. Wie behandelt man einen Rotatorenmanschettenriss ( Therapie ) ?Was ist das Ziel der Behandlung eines Rotatorenmanschettenrisses:
Idealziel ist der komplette Verschluss des Risses / Defektes der Rotatorenmanschette und die damit verbundene schmerzfreie und kraftvolle sowie stabile Beweglichkeit - bei normalen Bewegungsausschlägen in allen Ebenen des Raumes.
12. Behandlungsziel:Ganz im Vordergrund der Therapie - egal, ob ohne oder mit Operation - steht eine nachhaltige
Schmerzbefreiung. Nächstes Ziel ist die
Verbesserung der Beweglichkeit des Gelenkes und eine
Verbesserung der Kraft des Armes und der Schulter.
13. Gibt es eine nichtoperative / konservative Behandlung von Rotatorenmanschettenrissen ?Viele Risse lassen sich durch konservative Massnahmen - ohne OP - in den Griff bekommen. Dazu sind Medikamente, Spritzen, physikalische Therapie und Physiotherapie sehr hilfreich.
Man wird dazu raten den Arm / die Schulter zu schonen, welches im Alltag bedingt machbar ist. Eine Ruhigstellung auf Schienen kann man durchführen, es ist eher ungewöhnlich.
Wirksam sind Medikamente, wie Entzündungshemmer, die sog. nichtsteroidalen Antiphlogistika. Patienten mit Magen-, Nieren- und Herzerkrankungen sollten mit der Einnahme eher zurückhaltend sein und auf andere medikamentöse Alternativen / Schmerzmittel ausweichen. Weisen Sie ihren Arzt darauf hin, wenn Sie an solchen Erkrankungen leiden.
Spritzen, die sog. Infiltrationstherapie, z.B. mit Kortison und / oder örtlichen Betäubungsmitteln können bei akuten Schmerzen sehr effektiv sein. Die Spritzen werden z.B. an die defekte Sehne oder unter das Schulterdach gesetzt.
Die Akupunktur / Akupressur der Schulter, des Körpers / Ohres / Schädels stellt eine weitere Behandlungsmöglichkeit dar. Etwa 10 Sitzungen werden dazu zunächst durchgeführt.
Die Kältetherapie ( Kryotherapie ) macht im Akutfall, z.B. nach Sturz, Sinn oder auch begleitend zur Einleitung einer physiotherapeutischen krankengymnastischen Übungsbehandlung. Die alleinige Anwendung von Kälte bringt beim Rotatorenmanschettenriss auf Dauer keinen Erfolg.
Die Physiotherapie / Krankengymnastik dient der Dehnung und Kräftigung der noch vorhandenen Nachbarmuskeln. Sie wird auch zur Schmerzlinderung und Bewegungsverbesserung bei Rotatorenmanschettenrissen eingesetzt.
Unter der nichtoperativen Therapie können Teilrisse und kleine Defekte der Rotatorenmanschette verheilen und vernarben. Mittelgrosse und grosse Defekte sind mit konservativen Therapiemassnahmen nicht zu schliessen. Im Allgemeinen ist die nicht operative Therapie in der Mehrzahl der Fälle erfolgreich.
14. Wie und wann wird ein Rotatorenmanschettenriss operiert ?Im Allgemeinen gilt: Je eher desto besser. Manche Lehrbücher vertreten die Auffassung 3 bis 6 Monate nicht operativ zu behandeln. Ist jemand gestürzt oder der Rotatorenmanschettenriss durch Überlastung oder aus anderen Gründen schmerzhaft geworden, braucht es drei bis sechs Wochen bis die erste Teilsteife der Schulter eingetreten ist. Die operative Versorgung ist dann auch möglich, vorher ist sie deutlich einfacher. Die Veranlassung operativ tätig zu werden muss individuell und vom Einzelfall abhängig gemacht werden. Pauschale Ansichten, wie das Ausmass des Leidensdruck /Schulter Armschmerzes, Verschleiss oder nicht, das Alter, die Händigkeit sind zu berücksichtigen. Die Grösse, Lage und Rekonstruierbarkeit des Risses sind ebensno wichtig, und zwar genauso wie der individuelle Bedarf und die Probleme / Lebenssituation des einzelnen Patienten.
Betreffend einer Operation gilt: Je jünger der Patient ( 20. - 50. Lebensjahr ), je kleiner der Riss ( etwa unter 6 Quadratzentimeter ), je aktiver der Patient ist und je besser die zu erwartende Gewebequalität desto eher wird man zu einer operativen Rekonstruktion und Naht neigen.
Das Verfahren zum Verschluss des Muskelrisses ist von der Grösse, Lage, Gewebequalität, Ansprüchen des Patienten, sportliche / berufliche Belastung und vielen Faktoren mehr abhängig. Weiteres zur Operation von Rotatorenmanschettenrissen erfahren Sie hier.
Die
Rekonstruktion von Rissen der Rotatorenmanschette wird regelmässig mit arthroskopischen ( oder manchmal offenen ) Begleiteingriffen kombiniert, je nach vorliegendem krankhaften Befund. Das können z.B. sein:
1. Eine Akromioplastik: Es wird Luft im Tunnel unter dem Schulterdach geschaffen. Das führt man durch damit die rekonstruierte Sehne in dem Monaten und Jahren danach nicht wieder auffasert. Näheres zur Akromioplastik erfahren Sie hier.
2.Liegt ein begleitender, schmerzhafter, Verschleiss am Schultereckgelenk vor, kann man arthroskopisch durch eine sog. laterale Clavikularesektion diesen Verschleiss beseitigen. D.h. man trägt endoskopisch Knochen am verschlissenen äusseren Schlüsselbeinande ab, bis das äussere Schlüsselbeinende und das knöcherne Schulterdach nicht mehr aneinanderstossen.
Teilrisse der Rotatorenmanschette ( sog. PASTA Läsionen = partial articular supraspinatus tendon avulsion ) werden geglättet oder, wenn sie zuviel Sehnensubstanz umfassen, eröffnet und arthroskopisch rekonstruiert und genäht.
Ist der Riss klein ( beispielsweise bis zu 1 Euro gross ) wird man zu einer arthroskopischen Rekonstruktion und Naht neigen. Die arthroskopische Sehnennaht ist technisch aufwändig. Sie ist mehr und mehr Tagesroutine - bei kleinen wie auch grossen Rotatorenmanschettendefekten / -rissen. Die arthroskopische Rekonstruktion des Rotatorenmanschettenrisses ist technisch aufwendiger als beispielsweise ein Kreuzbandersatz am Knie und verlangt entsprechendes Training und Materialaufwand.
Mittelgrosse bis grosse Rotatorenmanschettenrisse verschliesst man durch eine Rekonstruktion und endoskopische Naht. Zur
arthroskopischen Naht werden bioresorbierbare oder Titan-/Edelstahlanker verwandt. Das sind meistens Minischrauben, manchmal können es auch dübelähnliche Konstruktionen sein. Eine weitere Variante der operativen Versorgung ist der " Mini Open Repair ". Es bedeutet, dass man über kleine, offene, Schnitte die gerissenen Rotatorenmanschette näht. Es ist gewissermassen eine offene Operation, die aber über möglichst kleine Schnitte vorgenommen wird.
Bei grösseren Rissen findet die offene operative Naht vereinzelt Anwendung ( siehe Foto ganz oben auf dieser Seite ). Bei der offenen Naht nimmt man Implantate in Form von bioresorbierbaren oder Titan-Edelstahl Minischrauben. Üblich ist z.B. auch die direkte Verankerung der offenen Nähte durch den Knochen, die sog. transossäre Naht. Dabei finden spezielle Nahtführungen wie etwa die Mason-Allen Naht bzw. Modifikationen von ihr Anwendung. Insgesamt wird das offene operative Vorgehen zunehmend seltener angewandt und durch arthroskopische Verfahren abgelöst.
Ist der Riss besonders gross und / oder die Gewebequalität zu schlecht für eine Naht, so dass sich die Enden nicht aneinander bringen lassen oder die Wahrscheinlichkeit des Aufgehens / Versagens der Nähte zu gross ist, bestehen zwei Möglichkeiten:
1. Die endoskopische Glättung des Risses und seiner Ränder und die damit einhergehende Befreiuung des Raumes unter dem Schulterdach, durch den die Muskeln gleiten. Dieses Verfahren führt oft zu einer deutlichen Schmerzlinderung und dazu, dass wesentlich aufwendigere Muskeldeckungsverfahren nicht notwenig werden.
2. Man kann einen arthroskopischen oder offenen Teilverschluss durchführen. Das bedeutet: Man kann bei der Rekonstruktion das gerissene Sehnenende nicht an den ursprünglichen Ansatzort zurückführen, kann aber mehr oder weniger grosse Teile des Oberarmkopfes mit der rekonstruierten Sehne bedecken, welches ebenso zu einer deutlichen Schmerzverbesserung führt.
3. Ein sehr grosser Riss kann gedeckt werden, indem man Muskeln aus der Nachbarschaft verwendet und diese in den Defekt reinschwenkt. Infrage kommen zum einen
Rückenmuskeln ( Latissimus dorsi ) oder zum anderen Brustmuskeln ( Pectoralis major Muskel ). Diese OP Verfahren führen zu einer Schmerzbefreiuung und Kraftverbesserung. Sie sind aber für den Patienten aufwendig und benötigen mehrere Monate Rehabilitation.
Generell lässt sich an dieser Stelle hinsichtlich der Operation von Rotatorenmanschettenrissen feststellen, dass sich die meisten durch eine Glättung bzw. endoskopische Naht gut behandeln lassen. Die endoskopische Naht ist ein technisch anspruchsvoller Eingriff. Sie ist in den letzten Jahren mehr und mehr zur Tagesroutine geworden. In der Nachbehandlung unterscheidet sie sich nicht wesentlich von offenen Operationen. Sie hat aber deutliche Vorteile: 1. sie ist in den Stunden und Tagen nach der Operation nicht so schmerzhaft, 2. der durch die Operation notwendige Weichteilschaden wird deutlich begrenzt, 3. die Nachbehandlung ist einfacher, 4. es entstehen weniger Narben, 5. der Krankenhausaufenthalt ist kürzer. Allerdings entstehen höhere Materialkosten und es bedarf eines hohen Trainingsgrades im endoskopischen Operieren.
Kann man jeden Rotatorenmanschettenriss nähen ?Nein. Defekte , welche zu gross sind bzw. die eine schlechte Gewebequalität haben kann man nicht ohne Weiteres vollständig nähen. Das Spektrum der Versorgung solcher Situationen reicht vom Abstand nehmen von einer OP, über die operative Glättung solcher grossen Defekte und Beseitigung von Engen im Tunnel unter dem Schulterdach über Teilverschlüsse bis hin zur inversen Schulterprothese oder Muskellappenverpflanzung von Nachbarmuskeln. Vielfach kann man insbesondere Schmerzen gut mit solchen alternativen operativen Massnahmen behandeln - das ist jeweils im Einzelfall anhand verschiedenster Gesichtspunkte zu entscheiden.