Allles Wichtige und Wesentliche zum Oberarmkopfbruch an der Schulter

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Oberarmkopfbruch

( Humeruskopffraktur )



von: Dr. med. Roland Sistermann


Röntgen, Oberarmkopfbruch, Humeruskopffraktur


Das obere Ende des Oberarmknochens bezeichnet man als Oberarmkopf. Wenn er - z.B. durch einen Sturz - bricht, spricht man von einem Oberarmkopfbruch


Trümmerbruch, Humeruskopf, Oberarmkopf


2. Entstehung:

Oberarmkopfbrüche sind häufige Knochenbrüche des menschlichen Körpers ( etwa 5% aller Knochenbrüche ). Sie entstehen meistens durch einen Unfall / Sturz. Oft sind als Unfallmechanismus der Sturz auf den ausgestreckten Arm oder der direkte Sturz auf die Schulter anzutreffen.
Aktivere Patienten verletzen sich z.B. bei Sportarten wie dem Skifahren, Fahrrad- und Motorradfahren. Auch im Reitsport treten Oberamkopfbrüche nach Stürzen vom Pferd regelmässig auf.
Eine begleitende Osteoporose ( Knochenentkalkung ) kann das Entstehen eines solchen Bruches begünstigen.

Manchmal ist ein Tumor / Metastase die Ursache und der Oberarmkopf bricht spontan – ohne äußeres traumatisches Ereignis. Der Mediziner bezeichnet das als "pathologische Fraktur", also einen krankenhaften Bruch - ohne Unfall - durch einen Knochenschaden z.B. bei einem Tumor.
Von den verschiedenen Strukturen des Oberarmkopfes ( kleiner Rollhügel = Tuberkulum majus, großer Rollhügel = Tuberkulum minus, Oberarmschaft = Corpus humeri und der Kopfkalotte = Caput humeri ) können eine oder mehrere dieser Strukturen von dem Humeruskopfbruch betroffen sein.

Auch die Brüche knapp unterhalb des Oberarmkopfes, die sog. „subkapitalen Humerusfrakturen“ zählt man im Allgemeinen zur Gruppe der Oberarmkopfbrüche.



3. Häufigkeit:

Am meisten ist die Altersgruppe zwischen dem 60. und 80. Lebensjahr betroffen, weil in diesem Alter Stürze wie auch Tumore eher auftreten.
Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Bei ihnen tritt ein Oberarmkopfbruch etwa doppelt so häufig auf.


Platte, Verplattung, Humeruskopf, Oberarmkopf

Verplattung Oberarmkopfbruch



4. Einteilungen:

Gebräuchliche Einteilungen für Oberarmkopfbrüche sind die Klassifikationen nach Neer oder der AO ( Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthese ).

Die Neer Klassifikation unterscheidet zwischen 2-, 3- und 4 Fragmentbrüchen, sie orientiert sich der Anzahl der Bruchstücke.

Die AO - Klassifikation unterscheidet die Bruchtypen A, B, und C – jeweils mit Untergruppen. A = eher leichte Brüche, B = mittelschwere Oberarmkopfbrüche und im Stadium C ist ein Bruch als meist als schwerwiegend einzustufen.

Eine weitere oft angewandte Einteilung ist die nach Hertel, welche sich an den vier Hauptsegmenten des Bruches ( Schaft, Kopfkalotte, großer und kleiner Rollhügel ) und deren Kombinationen orientiert.
Im Wesentlichen unterscheidet man zwischen X- und O-förmig eingestauchten Oberarmkopfbrüchen, der Zahl der Bruchstücke und, ob die Durchblutung des Kopfbruchstückes noch vorhanden ist.


veralteter Humeruskopfbruch, Oberarmkopfbruch

Veralteter Oberarmkopfbruch, links.



5. Beschwerden:

Ein meistens r Schmerz mit einer Einschränkung der Beweglichkeit in der betroffenen Schulter oder des Armes sind nach einem Sturz ein wesentliches und hinweisendes Zeichen. Es kann durchaus binnen Stunden oder Tagen manchmal ein ausgedehnter Bluterguss an der Schulter bzw. Arm entstehen.
Örtliche Druckschmerzen an der Schulter oder deren umgebender Weichteile treten ebenso regelmässig auf.
Die Schulter und der Oberarm können deutlich geschwollen sein und der Verletzte hält den Arm angezogen am Körper / Brustkorb – bei gebeugtem Ellenbogen.



6. Diagnostik:

Das am meisten eingesetzte Verfahren ist die Röntgenaufnahme, welche frontal, vereinzelt durch die Achselhöhle und oft als zusätzliche Y-Aufnahme ( schmerzschonendere Spezialprojektion ) aufgenommen wird. Unter Umständen kann es notwendig sein, besonders bei komplizierten Brüchen oder Brüchen mit mehreren Bruchstücken eine Computertomographie mit dreidimensionaler Rekonstruktion anzufertigen. Auch wenn ein Oberarmkopfbruch verspätet nicht ausheilt ( sog. Pseudarthrose ) ist die Schichtbildgebung sehr hilfreich in der Diagnostik.


Pseudarthrose, Falschgelenk, Röntgen, Humeruskopf, Oberarmkopf

Röntgen Oberarmkopfbruch



Wenn man den Verdacht hat, dass Begleitschäden wie z.B. Abrisse oder ein deutlicher Verschleiß der Rotatorenmanschette oder Ausrenkungen der Schulter vorliegen, kann es notwendig sein, eine Kernspintomographie der Schulter ( Untersuchung in der Röhre ) durchzuführen. Sie kann verzögert ebenso eingesetzt werden, wenn der Verdacht besteht, dass sich Komplikationen wie Durchblutungsstörungen am Oberarmkopf ( Humeruskopfnekrose ) eingestellt haben.

Die Ultraschalluntersuchung kann Hinweise auf Schäden an der Rotatorenmanschette liefern. Sie ist aber nicht das Mittel der ersten Wahl zur Abklärung solcher Brüche.

Die Szintigraphie wird eher selten, aber zur Abklärung von Durchblutungsstörungen ( Humeruskopfnekrose ) oder Pseudarthrosen ( nicht verheilter Knochen ) eingesetzt.


Humeruskopffraktur, Oberarmkopfbruch, Röntgenbild


7. Behandlung:

Nichtoperativ:
Viele Oberarmkopfbrüche ( circa 80% ) sind leicht x-förmig eingestaucht und stabil. Sie werden ohne Operation - mittels einer Ruhigstellung des Armes in einer Schiene ( z.B. sog. Gilchristverband, Desaultverband, Traumaweste ) für 1 bis 2 Wochen, ggf. wenige Tage - behandelt. Regelmässig kann frühfunktionell behandelt werden, was bedeutet, dass die Beweglichkeit der betroffenen Schulter / Armes frühzeitig freigegeben wird.

Die übrigen Brüche des Oberarmkopfes werden operiert. Eine Veranlassung zur operativen Stabilisierung ist beispielsweise gegeben, wenn mehrere Bruchstücke vorliegen, Gefäße und / oder Nerven durch vom Knochenbruch gefährdet sind bzw. die Bruchstücke weit auseinander liegen.

Operativ:
Zunächst wird der Oberarmkopf unter Röntgendurchleuchtung oder offen vor Ort gerichtet / eingerenkt.


winkelstabile Schraube

Winkelstabile Schraube



Zur operativen Stabilisierung eines Oberarmkopfbruches gibt es zahlreiche Verfahren. Gebräuchlich ist z.B. die Verplattung des Oberarmes - mit oder ohne winkelstabilen Implantaten. Auch werden z.B. einzelne Schrauben oder Drähte - mit und ohne Drähten - verwandt, um den Bruch zu stabilisieren. Selten kommt bei infizierten Oberarmkopfbrüchen ein äußerer Fixateur zum Einsatz.

Fortschritte in der Implantatechnik haben es mit sich gebracht, dass man Platten mittlerweile mittels spezieller Techniken minimalinvasiv, d.h. über kleine Schnitte einbringen und fixieren kann. Das bezeichnet man auch als MIPO-Technik. Dabei steht MIPO für : minimalinvasive Plattenosteosynthese.
Ebenso ist manchmal eine endoskopische Entfernung des verwandten Metalls möglich.


winkelstabilde Platte, Humeruskopfbruch

Winkelstabile Platte für Oberarmkopfbrüche



Eine Sonderform des Oberarmkopfbruches ist der Tuberkulum majus Bruch, d.h. der Bruch des großen Rollhügels. Oft wird er nichtoperativ behandelt. Die Toleranzbreite gegen Verschiebungen ist gering, weil ein verschobener Bruch des Tuberkulum majus im Tunnel unter dem Schulterdach einklemmen und ein Impingement verursachen kann.


Tuberkulum majus Bruch, Fraktur

Tuberkulum majus Bruch




3D, Humeruskopffraktur, Oberarmkopfbruch, Humeruskopfbruch


Wenn der Oberarmkopf durch den Bruch erheblich zertrümmert ist, kann es notwendig werden eine Schulterprothese oder inverse Prothese einzubauen. Eine Veranlassung zur Schulterprothese ist vor allem dann gegeben, wenn die Knorpelfläche des Oberarmkopfes durch den Bruch zerstört ist oder wenn eine Durchblutungsstörung des Oberarmkopfes ( Humeruskopfnekrose ) eingetreten ist, wenn es sich um viele Bruchstücke, einen weichen Knochen oder um eine zentrale Spaltung ( sog. Head Split Frakturen ) handelt. Generell ist der Trend den Knochen so gut wie möglich zu erhalten und mittels Platten, Schrauben und Nägeln wiederherzustellen. Genauso gibt es aber auch Situationen in denen man den gebrochenen Oberarmkopf nicht wiederherstellen kann und eine sog. Frakturprothese einbaut.


8. Prognose:

Das Ergebnis der nichtoperativen wie operativen Behandlung ist im Wesentlichen von dem erlittenen Bruchtyp abhängig. Unverschobene Brüche führen regelmässig zu befriedigenden Ergebnissen und Mehrfragmentbrüche verlaufen regelmäßig für den betroffenen Patienten eher unbefriedigend. Weitere Faktoren, welche das Behandlungsergebnis u.a. bestimmen sind das Alter der Betroffenen und die Knochenqualität.
Wenn die Bruchstücke des Oberarmkopfbruches etwas verschoben verheilen, kann mittel- bis langfristig ein Verschleiß an Schulter ( posttraumatische Omarthrose ) entstehen.


intramedulary claw, Röntgenbild

Röntgenbild einer sog. "intramedullary claw", einem von zahlreichen Fixierungsverfahren für Oberarmkopfbrüche.



9. Komplikationen:

Eine immer wieder zu beobachtende Schwierigkeit ist das Nachsintern des gerichteten und fixierten Knochens. Dadurch verkürzt sich die Kopfhöhe und die Implantate können u.U. - relativ gesehen - zu kurz werden und ggf. mechanische Irritationen am Schultergelenk verursachen. Schrauben oder Drähte / Implantate können sich verlagern und müssen dann entfernt oder neu eingebracht werden.


Als unmittelbare Folge eines solchen Bruches kann es zu Verletzungen der Gefäße und / oder Nerven in der Schulterregion kommen – mit Durchblutungsstörungen oder Lähmungen.

Recht häufig ist eine Teileinsteifung des Schultergelenkes nach operativer wie auch nichtoperativer Versorgung zu beobachten. Wenn diese Einsteifung vom Betroffenen / Betroffener nicht toleriert wird, kann man mit der arthroskopischen Kapselspaltung, kombiniert mit einer Narkosemobilisation und nachfolgenden mehrwöchigen intensiven Krankengymnastik verhältnismäßig gut Abhilfe schaffen.

Ein Oberarmkopfbruch kann – operativ oder nichtoperativ behandelt – u.U. nicht verheilen und sich ein sog. Falschgelenk = Pseudarthrose ausbilden, welches eine Stabilisierung notwendig machen kann.

Gefürchtet sind nach operativen Stabilisierungen Infektionen der operierten Schulter / des Oberarmkopfes, weil sie die Behandlungsverläufe für alle Beteiligten deutlich erschweren können.


10. Nachbehandlung:

Nichtoperative Nachbehandlung:
Der gebrochene Oberarmkopf wird in einer Schlinge / Armverband ( z.B. einem Desault- oder Gilchristverband, Traumaweste ) für wenige Wochen, u.U. nur einige Tage, ruhiggestellt und mit dem Krankengymnasten / Physiotherapeutin passiv sowie aktiv pendelnd beübt. Nach Abnahme der Schiene / des Verbandes kann aktiv unterstützend, mit Pendelbewegungen bzw. aktiv, geübt werden.

Operative Nachbehandlung:
Der Krankenhausaufenthalt dauert etwa eine Woche. Man geht mit der Ruhigstellung und passiven wie aktiven Übungstherapie in ähnlicher Weise und Zeiträumen vor. Nach einer Woche bis 10 Tagen kann mit Pendelübungen begonnen werden.
Das Metall ( Platten, Schrauben ) wird meistens nach circa einem Jahr entfernt - Drähte und Schlingen eher.


selbstschneidende Schraube, Bruch, Oberarmkopf

Links: selbstschneidende Schraube ( kleineres Gewinde ); rechts: konventionelle Schraube.



11. Risiken:

Ein Oberarmkopfbruch kann – nichtoperativ oder mittels Operation behandelt – u.U. nicht verheilen und sich ein Falschgelenk ( Pseudarthrose ) bzw. verzögerte Knochenheilung entwickeln, besonders bei vorbestehender Osteoporose ( Knochenentkalkung ).

Durch den Bruch selbst oder Operation kann es selten zu Verletzungen der Gefäße und / oder Nerven an der Schulter – Durchblutungsstörungen oder Teillähmungen – kommen.

Eine Schultersteife / Frozen shoulder mit mehr oder weniger ausgeprägten Bewegungseinschränkung der Schulter und des betroffenen Armes ist – mit und ohne Operation - manchmal zu beobachten.

Eingesetzte Schrauben können selten - durch den Oberarmkopf hindurch - ins Gelenk brechen.

Es kann sich manchmal eine Durchblutungsstörung des Oberarmkopfes ( sog. Oberarmkopfnekrose / Humeruskopfnekrose ) entwickeln. Es liegt daran, dass im Rahmen des Bruches und Gewalt des Traumas wichtige Begleitgefäße, welche für die Durchblutung des Oberarmkopfes zuständig sind, abreißen können. Es kommt vor, dass die Oberarmkopnekrose erst Monate und manchmal 1 bis 2 Jahre später entdeckt wird.

Ein verschoben verheilter Tuberkulum majus Bruch führt zum mechanischen Impingement und Einklemmungen im Tunnel unter dem Schulterdach bei Anheben und Abspreizen des Armes.

Tuberkulum majus Hochstand, Röntgen

Impingement durch Tuberkulum majus Hochstand wegen verschobener Verheilung.



12. Vorbeugung:

Vorbeugende Massnahmen - im engeren Sinne  - gibt es gegen Oberarmkopfbrüche nicht. Die Behandlung einer Osteoporose oder allgemeine vorbeugende Sturzmaßnahmen sind sinnvoll.



Fachbegriffe:

Humeruskopffraktur, Oberarmkopffraktur, proximale Humerusfraktur, proximaler Humeruskopfbruch, subkapitale Humerusfraktur, subcapitaler Humerusbruch, Tuberkulum majus Fraktur, Tuberculum majus Bruch, Humeruskopfimpressionsfraktur, malgaignische Impressionsfraktur, subkapitale Oberarmmehrfragmentfraktur

Wissenschaftliche Literatur:
1. Handoll HH, et al, Interventions for treating proximal humeral fractures in adults, Cochrane Database Syst Rev, (11):CD000434, 2015
2. Patel S, et al; Post-traumatic osteonecrosis of the proximal humerus, Injury; 46(10):1878-1884, 2015
3. Jobin CM, et al, Reverse shoulder arthroplasty for the management of proximal humerus fractures, J Am Acad Orthop Surg, 23(3):190-210; 2015
4. Maier D, et al, Proximal humeral fracture treatment in adults, J Bone Joint Surg Am, 96(3):251-261, 2014



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